EröffnungsredeImke Brunzema
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlichen Dank für die Einladung!
Mit dem Wechsel der Ausstellung aus der Raumstation nach St. Jodokus ist auch der Titel „Werbung für den Superstar“ geändert worden in „Gegrüßet seist du, Supermutter“ - Hat sich noch mehr geändert? Denn die Bilder sind dieselben.
Zuerst einmal eine Einordnung der Arbeiten.
Die Collagen und Kittelschürzen sind Teil eines größeren Projektes, das Marjolein Wortmann seit Jahren betreibt: sie beschäftigt sich mit Mustern, Bildern und Symbolen des Mittelmeerraumes und nennt die aus hunderten von Teilen bestehenden Rauminstallation “La Mamma”. Acrylbilder kombinieren darin die Elemente dieser Symbole als Mosaik, bilden größere Zusammenhänge und damit einen eigenen Raum.
Zitat: Die Mutter ist die zentrale Figur, sie ist eine richtige Institution und taucht als „Kittelschürze“ auf (in christlichen Ländern), oder als „Djellaba“ (in arabischen Ländern). Das Symbol für die jungen Mütter, sowohl in Sizilien als auch in Tunesien, ist ein Pyjama oder Jogginganzug. Beide sind sehr beliebt bei der häuslichen Arbeit. So die Erklärung von Marjolein Wortmann.
Die Madonnenbilder, die sie mit Kittelschürze versehen hat, sind im Original vor allem eins: kitschig schön. Verliert das Bild einer Madonna irgend etwas mit der neuen Kittelschürze? Die Schürze passt wie angegossen – gehört sie nicht eigentlich ohnehin zum ganzen, realistischen Bild?
Ob die Kittelschürze die Möglichkeit zur Anbetung aufbricht – oder vielmehr den Zusammenhang zwischen Alltag und Religion thematisiert, auf die Frauenrolle verweist, und ob das stört, muss jede/r für sich selber beantworten.
Dass diese Änderung auf Realität basiert, wird in ihren Fotografien sichtbar: Frauen mit Kittelschürze im Alltag – gesehen in Spanien bei einem Künstleraustausch auf der Straße und in Italien, ihrem Wohnort Palermo, in der jeweiligen häuslichen Umgebung. Die Bilder sind – später ergänzt um Texte zu der Ausstellung – in den kleinen Fotoalben zu finden.
Die Plakate, aus denen die Collagen hauptsächlich entstanden sind, stammen alle aus Palermo: neben denen, die Prozessionen ankündigen, auch solche, die für Zirkusvorstellungen oder politische Parteien werben. Die Mischung aus Politik, Vergnügen und Glaube bildet ein Konglomerat, das Marjolein Wortmann weiterverarbeitet zu einem schrillen Bild, eine Collage, die ebenfalls um Aufmerksamkeit wirbt.
Schön ist anders. Die Bilder sind gerissen, die Kanten offen, die Schichten
der Plakatwände wieder einzusehen. Einige Elemente sind hinzugeklebt – als Original oder in der Kopie, in Wiederholungen oder als Einzelteil: die Schnipsel ergänzen den Inhalt oder widersprechen ihm. Es ergibt sich kein Bild, das in sich geschlossen von Schönheit spricht: es bleibt zerrissen. Diese zerrissenen Plakat-Wände sind das Gegenstück zur schönen Oberfläche der Werbung für den Star: für den in der Manege, im politischen Feld oder der Verehrten in der Prozession: umgeben von Sternen das Bild der Maria.
In Holland geboren, in Brüssel aufgewachsen, ausgebildet an der holländischen Kunstakademie in Groningen, ein Leben in Kolumbien mit dem Aufbau von Malschulen und -projekten, der Gewalt gewichen, findet Marjolein Wortmann nun in Palermo ein Thema in einer fremden Umgebung, wo ihr Alltägliches täglich wieder auffällt.
Die Bilder mit ihrer Mixtur aus drei Bereichen – Zirkus, Politik und Religion – machen einen weiten Assoziationsraum auf. In diesem Feld muss man sich erstmal verorten: wo glaubt man eigentlich, befindet man sich selber? Und womit hat man in welchem Kontext denn wirklich zu tun?
Die ursprünglichen Plakate haben eine inhaltliche Ebenen, die sie verbindet. Alle verweisen auf Ereignisse in der Zukunft: der Zirkus, den man sehen soll, die Wahl, bei der man sich entscheiden soll, die Prozession, die man mitgehen soll.
Die Plakate fordern aber auch Teilnahme: am Vergnügen, am Entscheidungsprozess, im Glauben. In die Öffentlichkeit geklebt, zielen die Plakate auf das Private: Erholung, politische Meinung und Glauben: sich unterhalten lassen und lachen, diskutieren und sich beteiligen sowie beten und verehren.
Eine Frage war, ob die Übermalung von Marienbildern und die Collagen nicht als Ziel die Verletzung religiöser Gefühle haben könnte. Das sehe ich nicht: Andachtsbilder tragen Religion in den Alltag hinein, die Übermalung verbindet den Alltag mit dem religiösen Bild. In den Collagen ist thematische Gleichheit die Basis für die Collage. Dass dabei nicht eine formale Ästhetik die Inhalte wieder zudeckt finde ich angenehm: weil man sich daran stört, kann man den Inhalt finden.
Bei der Ausstellung der Bilder im Kreuzgang statt in einem Ausstellungsraum verändern sich nicht die Bilder – aber der Zugang zu ihnen. In der Raumstation war das Bild der Mutter der Zugang zu den Marienbildern – hier wird das Bild der Maria ein Schlüssel zum Verständnis.
Theologische Sichtweisen auf MariaLars Hofnagel, Studentenpfarrer
Die Theologie beschreibt vier grundlegende Sichtweisen auf Maria.
1. Sie ist die Gottesgebärerin. Die Bibel stellt sie als die Mutter Jesu dar, der ganz Mensch und ganz Gott ist.
2. Als Mutter ist sie immerwährende Jungfrau. Die Jungfräulichkeit verdeutlicht den Neubeginn der Heilsgeschichte, und dass dieser Neubeginn nicht aus menschlicher Leistung geschieht. Jesus stammt von Gott.
3. Maria ist selbst unbefleckt empfangen worden. Sie hatte von Geburt an die Würde, die göttliche Weisheit, den menschwerdenden Logos – Jesus Christus – in ihrem Schoß zu tragen.
4. Maria ist nach ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden. An ihr ist geschehen, was uns allen verheißen ist, nämlich die ewige Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott. Seine Liebe zu den Menschen ist unwandelbar.
Das Hervorheben Marias und die unterschiedlichen Formen ihrer Verehrung bergen in sich auch die Gefahr einer verqueren Sicht. Es muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass Maria keine vierte Gottheit und auch nicht das weibliche Element in Gott ist. Sie ist kein Keuschheitsideal, dass zu einer leib- und sexualitätsfeindlichen Haltung auffordert, um sich so die Anerkennung Gottes zu verdienen. Sie ist auch nicht das Ideal einer devoten Frau, die ihren von Männern auferlegten Pflichten nachkommt und ansonsten schweigt.
Vielmehr ist sie ein Typus für den Dialog zwischen Gott und Mensch – zwischen der Gnade Gottes und die Antwort des vertrauenden Menschen auf diese Gnade. Maria ist das Beispiel einer starken Frau, die ihren eigenen Lebens- und Glaubensweg geht. Somit ist sie ein Symbol befreiten Lebens – sowohl für Frauen als auch für Männer. Ihre Jungfräulichkeit steht für den freien Menschen, der sich für Gott öffnen kann. Marias Mütterlichkeit ist das Bild einer Haltung, die menschliches Leben behütet und Lebensentfaltung ermöglicht.
Marienverehrung ist streng zu unterscheiden von der anbetenden Verehrung Gottes. Der zu Gott betende Mensch versenkt sich in das göttliche Geheimnis. Jede Marienverehrung mündet ihrem Wesen nach in die Verherrlichung Gottes, also in das, was Maria selbst getan hat: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter.“ (Lukas 1, 46ff)
Über die KünstlerinMarjolein Wortmann
Marjolein Wortmann marjoleinwortmann.com (born 1958, the Netherlands) graduated from the Minerva Art Academy in Groningen. In 1985, she worked on a project about the relationship between the Dutch and Colombian cultures that was partly funded by the De Groot-Brugmans foundation.
Wortmann lived and worked in Colombia between 1986 and 1999, where she also worked in book illustration, graphic art, and textile design. Clients included indigenous groups and local fishermen organizations, as well as government authorities and publishers. In Tolú, a fishing village, Wortmann joined young fishermen, students, and cleaning women in co-founding Fundación Expresarte, where she served the director and gave daily art workshops. The project was supported by the Broederlijk Delen, a Belgian NGO.
In 1999, the artist moved to yet another “southern” destination, Palermo, where her interest turned to the interaction of Mediterranean cultures. Her work has featured in exhibitions, presentations, installations, performances, happenings, and theatrical performances in Belgium (Fein Arts Gallery, Brussels), Colombia (Museo de Arte Moderno de Cartagena, Salón Nacional de Artistas, Bogotá, I Salón de Artistas Plásticos de Sucre, first price), Germany (Frauenmuseum Bonn, Raumstation Bielefeld), Greece (Technopolis, Athens), Holland (Stedelijk Museum Zwolle, Galerie LWW, Amsterdam), Italy (Centro d’Arte Piana dei Colli with the Chassés-Croisés artist exchange project, Abbazia Benedettina San Martino delle Scale, Spasimo, Casa Orioles Arte Contemporaneo, Palermo), India (Karnataka Kala Mela, Bangalore), Kyrgyzstan (Kyrguz National Museum of Fine Arts, Bishkek), Slovakia (Bratislava, Error Festival 2012, Compagnia del Filo), Spain (La Caja Blanca/Universidad de Málaga with the Chassés-Croisés artist exchange project, and Tunesia (Chérif Fine Art, Sidi Bou Saïd, Journées Méditerranéennes d’Arts Plastiques Sousse).